Personen- oder Kapitalgesellschaft, persönliche oder beschränkte Haftung und wie viel Kapital muss man nochmal einbringen? Fragen über Fragen, die ich mir alle (wirklich alle) gestellt habe.
Es ist Anfang April 2024 und ich will mit meinem Business loslegen. Ich möchte als selbständige IT-Beraterin für verschiedene Kundinnen und Kunden tätig sein. Eventuell da und dort mal länger in einem Projekt mitarbeiten. Die einzelnen Mandate sollten nicht mehr als 60% meiner Kapazität belegen. Ich bin eine kleine, aber feine One-Woman-Show. Das wird bis auf weiteres auch so bleiben. Welche Rechtsform soll es also sein?
Nachdem mein Studium der Unternehmensführung schon ein paar Jahre zurückliegt und ich dort vor allem die Rechtslage in Österreich gelernt habe, stürze ich mich also in die Recherche. Die gute Nachricht zuerst – eine Firma in der Schweiz zu gründen ist überraschend einfach.
Ich informiere mich online, wälze Bücher, Gesetze und Ratgeber, nehme an Gründungs-Seminaren teil. Es gibt jede Menge gratis Beratungsangebote in Form von Webinaren. Bei dieser Art der Beratung ist zu erwähnen, dass sie zwar einen guten Überblick geben, aber immer die breite Masse ansprechen. Der Einzelfall kann in diesem Rahmen nicht (ausreichend) diskutiert werden. Ich wälze also noch mehr Bücher und Ratgeber.
Hier meine Favoriten:
“Ich mache mich selbständig!” von Norbert Winistörfer
IFJ Institut für Jungunternehmen AG, www.ifj.ch
Beide Quellen liefern zahlreiche, hilfreiche Insights, Rat und Checklisten zu allen relevanten Themen der Firmengründung.
Nichts desto trotz ist guter Rat teuer und niemand nimmt euch die Entscheidung ab, welche Rechtsform ihr wählen sollt.
Für mich kamen zu diesem Zeitpunkt zwei in Frage. Das Einzelunternehmen und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Im Sinne der Vollständigkeit zeige ich nachfolgend alle möglichen Gesellschaftsformen auf.
Ich habe mich am Ende für ein Einzelunternehmen entschieden. Welche Gründe ich dafür hatte und worauf ihr bei der Wahl der Rechtsform achten solltet, erfahrt ihr im Folgenden.
Wie eingangs erwähnt, war für mich klar, dass ich alleine tätig sein werde. Die Buchführung wollte ich so einfach und pragmatisch wie möglich halten.
Viele sagen, dass man mit doppelter Buchhaltung einen besseren Überblick hat. Das mag für viele Unternehmungen stimmen. Für mich als One-Woman-Show stellt es einen, aus meiner Sicht, vermeidbaren Mehraufwand dar.
Ich bin eine sehr genaue Person (manche würden sagen, fast schon pedantisch 🙈) und ich weiss zu jeder Zeit über meine Finanzen Bescheid. Dazu brauche ich keinen Kontenplan. Wozu soll ich mir also doppelte Buchführung aufbürden? Eine gute Einnahmen-Ausgaben-Rechnung reicht mir.—> Einzelunternehmen
Die Steuererklärung auszufüllen ist auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Aber wem erzähl ich das?...Sorry, an die Steuerberater und Treuhänderinnen da draussen. Bei einer Einzelfirma muss man jedenfalls nur eine Steuererklärung machen. Nämlich die, die man als Privatperson sowieso machen muss. Bei einer Kapitalgesellschaft ist man bei der eigenen Firma angestellt. Man muss also zwei Steuererklärungen machen. Eine für die Firma, also für die juristische Person, und eine als Privatperson. Das kann schnell kompliziert werden und man kommt oft nicht umhin, ein Treuhandbüro dafür zu beauftragen. Das kostet natürlich Geld, das ich zu diesem Zeitpunkt gerne anderweitig investieren möchte. —> Einzelunternehmen
Und das bringt uns zum nächsten Thema: Kapital bzw. das erforderliche Startkapital.
Gründet man eine Personengesellschaft, gibt es keine konkreten Vorschriften bezüglich des Startkapitals für die Firma. Zur eigenen Sicherheit sollte man aber auf jeden Fall im Vorfeld eine möglichst genaue Finanzplanung machen.
Bei Kapitalgesellschaften müssen je nach Rechtsform zwischen CHF 20.000 und CHF 100.000 bei Gründung in die Firma eingebracht werden.
Hier habe ich fälschlicherweise angenommen, dass dieses Geld langfristig gebunden ist. Dem ist, zumindest bei der GmbH, nicht so. Das Startkapital ist nur während des Gründungsprozesses, also höchstens ein paar Wochen, auf einem Bankkonto gesperrt. Sobald die Gründung abgeschlossen ist, kann die neue GmbH mit dem Kapital wirtschaften. —> Einzelunternehmen (aufgrund meines Irrtums)
Kommen wir zur Haftung. Viele haben grossen Respekt vor der persönlichen Haftung, wenn man eine Personengesellschaft gründet. Das kann ich gut nachvollziehen und ich kann hierzu nur sagen – es kommt darauf an.
Aber zuerst die gute Nachricht – euer Partner/eure Partnerin haftet im Normalfall nicht für eure Geschäftsschulden.
Generell gilt für verheiratete Paare in der Schweiz die sogenannte Errungenschaftsbeteiligung. Diese besagt, dass jede/r für die eigenen Schulden haftet. Während der Ehe entstandene Errungenschaften (erarbeitetes Vermögen) werden im Fall einer Scheidung oder bei Tod zu gleichen Teilen aufgeteilt. Hat ein Paar Gütertrennung vereinbart, ändert sich bei der Schuldenhaftung nichts. Im Falle von erarbeiteten Vermögen wird jedoch bei einer Trennung oder Tod nicht aufgeteilt. Das kann unter Umständen sehr ungerecht sein. Stichwort: unpaid care work / unbezahlte Sorgearbeit.
Besondere Vorsicht ist in jedem Fall bei Gütergemeinschaften geboten. Hier wird’s schnell unübersichtlich und beide Ehepartner haften gegenüber Dritten.
Für mich stellt meine persönliche Haftung kein Hindernis dar. Zudem gelten die gesetzlichen Richtlinien (siehe OR) und da muss man sich schon echt daneben benehmen bzw. absichtlich oder grob fahrlässig handeln. Mir war am Wichtigsten, dass mein Partner nicht zur Kasse gebeten werden kann. —> Einzelunternehmen
Zum Schluss die Krux beim Einzelunternehmen. Nur weil man seine Firma gegründet hat, heisst das noch lange nicht, dass man als Selbständige/r anerkannt ist. Das muss einem die SVA (Sozialversicherungsanstalt) erst bestätigen. Diese Bestätigung durch die SVA eures Kantons soll eine sogenannte Scheinselbständigkeit vermeiden. Die Schweiz möchte damit Mitarbeitende schützen und Firmen in die Verantwortung nehmen. Unternehmen dürfen ihre gesetzlichen Pflichten nicht auf freiberufliche Mitarbeitende abwälzen. Soweit, so einleuchtend.
Wenn man, wie ich als Einzelunternehmerin, jedoch hauptsächlich mit grösseren Firmen zusammenarbeitet, wird das Ganze eine echte Herausforderung.
Man darf nämlich nicht nur für ein Unternehmen tätig sein, sonst herrscht besagte Scheinselbständigkeit. Daraus resultiert im schlimmsten Fall, dass eure Auftraggeber im Nachhinein für eure Sozialabgaben zur Kasse gebeten werden.
Am Besten seid ihr daher für mehrere (mind. 2-3) Firmen und zu unterschiedlichen Pensa tätig. Sobald ihr belegen könnt, dass ihr wirtschaftlich unabhängig unterwegs seid, könnt ihr euch bei der SVA für die Überprüfung melden. Mehr dazu findet ihr hier: https://svazurich.ch/formulare/2000_ak/2800_vb/2802_vb2_ahv_anmeldung_fuer_selbstaendigerwerbende/hinweise.html
Mir steht diese Prüfung noch bevor. Drückt mir die Daumen, dass alles gut geht!
Was passiert, wenn ich nicht als selbständig Erwerbende anerkannt werde?
Tja, dann geht’s entweder an die Gründung einer GmbH oder zurück ins Angestelltenverhältnis. Auf zweiteres habe ich so gar keinen Bock, also wird’s in meinem Fall eine GmbH geben.
Mit einer GmbH muss einem niemand bestätigen, dass man selbständig ist. Man gründet mit der GmbH nämlich eine juristische Person und befindet sich mit der eigenen Firma im Angestelltenverhältnis. Klingt kompliziert, ist es auch irgendwie und irgendwie auch nicht.
Ich versuche es zuerst mit der Bestätigung meiner Selbständigkeit durch die SVA. Ich nehm's, wie’s kommt oder wie man in meiner Heimat, Österreich, so schön sagt: “Schau ma mal, dann seh ma schon.”
Wie das Schweizer Versicherungssystem funktioniert und wie ich meinen Weg durch diesen Dschungel gefunden habe, erfahrt ihr im nächsten Teil von “Die Freuden einer Selbständigen: Das Schweizer Versicherungssystem”.